Black Mirror war ganz anders, als ich es mir vorgestellt habe. Gut, ich habe die Vorgänger nie gespielt, doch bei den Trailern und Screenshots, die ich vor Veröffentlichung zu Gesicht bekam, bereitete ich mich schon mal auf ein sattes Horror-Erlebnis vor. Und als ich dachte, ich sei für meine Verhältnisse besonders mutig, es mal anzuspielen, war es dann doch gar nicht so schlimm.
Black Mirror
Genre: Horror, Adventure, Indie
Plattform: PC [Steam, GoG.com]
Erscheinungsdatum: 28. November 2017
Entwickler: KING Art
Publisher: THQ Nordic
Sprache: Deutsch, Englisch [Schrift, Sprache]
Preis: 29,99€
Familie Gordon und der Fluch
Der Reboot der Black Mirror Adventures steht in einer langen Tradition: Während 2003 der erste Teil der insgesamt 3-teiligen Serie für den PC erschien, ist dieses Black Mirror Adventure von 2017 als kompletter Neustart der Serie aufzufassen. Viele Fans haben sich bereits darüber beschwert, das nicht einmal die bekanntesten Namen der Vorgänger ihren Weg in das neue Black Mirror geschafft haben – für Neueinsteiger wie mich war darin natürlich kein Problem zu erkennen. Für Fans der alten Spiele sei also gesagt: Die Story steht in keinerlei Verbindung zu denen der Vorgänger.
Wir spielen den jungen David Gordon, der eines Tages Nachricht vom Selbstmord seines Vater erhält. Er selbst kannte seinen Vater nicht besonders gut, doch die Umstände seines Todes kommen ihm seltsam vor, sodass er die Gelegenheit nutzt und das Herrenhaus sein Familie besucht, um mehr über seinen Vater herauszufinden. Die seltsame Nachricht, die ihm sein Vater kurz vor seinem Tod hat zukommen lassen, trägt zusätzlich dazu bei. Das Haus, das David einmal erben soll, ist zurzeit noch im Besitz seiner ziemlich hochnäsigen Großmutter, Lady Margaret, die gar nicht vor zu haben scheint, dass Haus an ihn zu überschreiben. Generell scheint mit dem uralten Gebäude mitten in der schottischen Wildnis irgendetwas nicht zu stimmen – deine dunkle Macht haust nachts in seinen Gängen und treibt die Bewohner des Hauses um. Als es dann auch noch zu einem schrecklichen Mordfall kommt, liegt es an David, all die losen Fäden seiner Familiengeschichte miteinander in Verbindung zu bringen und aufzuklären, was es mit dem Familienfluch auf sich hat, den sein Vater in einem seiner Briefe erwähnt hat…

Im Gordon Estate herrscht immer eine drückende Dunkelheit / © KING Art, THQ Nordic
Eingewöhnungsschwierigkeiten
Nach unserer Ankunft im Gordon Estate spüren wir recht schnell, dass wir vom Rest der Familie nicht allzu gern gesehen sind. Wir versuchen also, zunächst ganz unauffällig unsere Nachforschungen in einem Haus anzustellen, in dem es selbst bei Tag irgendwie düster zu sein scheint. Gemäß anderer großer Klassiker aus dem Hause KING Art wie beispielsweise The Book of Unwritten Tales oder The Raven – Vermächtnis eines Meisterdiebs, steuern wir unseren Charakter mithilfe der geläufigen WASD-Kombination durch die verschiedenen Abschnitte des Hauses. Hier stellt uns die Steuerung bereits auf eine harte Probe, denn die Kamera ist unserem David stets hinterher, wodurch er häufiger mal aus dem Blickfeld verschwindet. Sie lässt sich zwar Steuern, indem wir mit der Maus an den Bildschirmrand fahren, doch selbst dann lässt sich ein Raum nicht im 360° Radius begutachten, sondern hängt immer an einer Seite des Raums so fest, dass sie sich maximal um 180° drehen lässt. Manchmal passiert es, wenn man eine Ansicht verlässt, indem man über den Bildschirmrand hinausbewegt, dass sich die Kamera in der neuen Ansicht in einem anderen Winkel positioniert. Es kam oft vor, dass sich David während dieses Wechsels in einer Bewegung befand – nach dem neuen Kamerawinkel jedoch die Tastenkombination nicht mehr passte, mit der ich ihn bewegte. Sodass er in der neuen Ansicht plötzlich in eine ganz andere Richtung lief, als ich wollte. Dieses ungeschickte Kamera-Bewegungs-Verhältnis kann einem auf Dauer durchaus den Spaß am Spiel nehmen.

Fieselige Steuerung macht Anwählen schwierig / © KING Art, THQ Nordic
Um bestimmte Punkte anklicken und mit ihnen interagiere zu können, muss man sich oftmals ziemlich fieselig auf eine ganz bestimmte Weise vor ihnen platzieren, um überhaupt etwas drücken zu können. Besonders in Szenen, in denen man sich bewegende Objekte anwählen soll, hat mich dieser Umstand mehr als nur einmal zur Weißglut gebracht! Hat man ein Objekt erfolgreich angewählt, erscheint meist eine Auswahl, welche Aktion damit ausgeführt werden soll. Die Auswahl funktioniert über die Nummerntasten der Tastatur oder (etwas umständlich) mit der Maus. Ich bin ab der Hälfte des Spiels auf die Controller-Steuerung umgestiegen und würde dies auch jedem anderen Empfehlen, der einen Controller zuhause hat – es erleichtert die ungeschickte und grob-mechanische Bedienung des Spiels um ein Vielfaches und führt dazu, dass man sich endlich wieder entspannt auf das Wesentliche des Spiels konzentrieren kann: Die Story und die Rätsel.
Im Dunkeln tappen
Auf der Suche nach der Wahrheit bewegen wir uns Tag und Nacht durch das zugegebenermaßen riesige Herrenhaus der Gordons. Während sich man zu Anfang noch recht häufig verläuft (wie es vermutlich jeder tun würde, der so ein Haus das erste Mal betritt), gewöhnt man sich spätestens ab der Hälfte der Spielzeit sehr gut an den Aufbau des Hauses, seine kleinen Geheimnisse und Abkürzungen sowie seine zugegebenermaßen nicht allzu sympathischen Bewohner. Eine der absolut positiven Seiten dieses Spiels sind seine fantastischen Charaktere. Mit David konnte ich mich zwar nur sehr schwer anfreunden, denn seine (Gesichts)Animation ist erschreckend, gruselig und starr wie Knetgummi und seine Synchronisation sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch ermüdend und ausdruckslos – doch auch sein Charakter erfährt gegen Ende des Spiels eine absolute Entwicklung zum Positiven. Den Rest der Charaktere kann ich eigentlich nur feiern: Die sture, stolze Lady Margaret und ihr treu ergebener Butler Mr. McKinnon. Der gruselige, aber absolut grandios animierte Gärtner Rory (der als einziger einen vernünftigen schottischen Akzent an den Tag legt – in Schottland!), der verzogene, wirre Cousin Eddie und die niedliche Haushälterin. Aber am allerbesten – wer hätte es gedacht – hat mir Davids weiblicher Gegenpart, die Psychiaterin Dr. Leah Farber, gefallen, die David auf seinen Abenteuern im Spukhaus begleitet und dabei absolut furchtlos zu sein scheint. Sie ist gewitzt, intelligent und lässt sich von niemandem unterkriegen. Im Gegensatz zum stoischen David war sie wirklich eine angenehme Erfrischung.

Hervorragende Charakterentwicklung / © KING Art, THQ Nordic
Gemeinsam mit David und Leah müssen wir auf unseren Ermittlungen die verschiedensten Aufgaben und Rätsel in üblicher Adventure-Manier erledigen. Egal ob Puzzle, versteckter Schlüssel-Code oder das übliche „Finde und benutze einen Gegenstand, um…“, bis auf die Möglichkeit, Gegenstände im Inventar miteinander zu kombinieren, ist so gut wie alles vertreten. Die Objekte, mit denen man im Spiel interagieren kann, sind in der Regel auf irgendeine Weise wichtig, es gibt also keine unsinnigen Interaktionen für neugierige Geister im Sinne der Lore; was wiederum die Rätsel-Schwierigkeiten und das Weiterkommen im Spiel um einiges erleichtert. Man kann sich nicht im Detail oder in den tausend Möglichkeiten verlieren, die beispielsweise ein Deponia bieten würde. Im Vergleich zu selbigem sind die Rätsel bis auf ein paar kleine Ausnahmen alle recht schnell und einfach zu lösen, wenn man den Charakteren nur aufmerksam genug zuhört. Manchmal ist man dabei sogar schneller als das Spiel selbst – ein gutes Beispiel ist Dr. Farber, die uns immer brav mit der Kerze den Weg leuchten will, dabei aber nie richtig hinterher kommt, wodurch wir einige Zeit in der Dunkelheit warten müssen, um überhaupt zu sehen, wo wir hinmüssen. Das hätte man definitiv besser lösen können. Manchmal machte mir das Spiel auch einen Strich durch die Rechnung, indem es entschied, David einfach mitten in einer Aktion einfrieren zu lassen: Insgesamt 5 Mal musste ich einen alten Spielstand laden, weil sich das Spiel auf diese Weise aufgehängt hatte. Diese Art der Unsauberkeiten reißen einen immer wieder aus dem Spielerlebnis raus.

Finde David! / © KING Art, THQ Nordic
Ich kann tote Menschen sehen
Während seines Aufenthalts bemerkt David eine Veränderung an sich. Er wird immer unruhiger und er sieht immer häufiger unerklärliche, geisterhafte Erscheinungen, die ihm und seiner Psyche schwer zusetzen (Cthulu lässt grüßen!). Nach einer geisterhaften Vision wird er von schrecklichen Kopfschmerzen geplagt und muss sich erstmal beruhigen. Dies schaffen wir, indem wir mit der Maus oder dem Controller einen Cursor in der Mitte eines sich bewegenden Kreises behalten. Dieses Minispiel ist simpel, führt aber dazu, dass man sich mit David noch mehr verbunden fühlt.
Auch der Spieler kann die Geister sehen, die David heimsuchen. Um die Erscheinungen sichtbar zu machen, müssen wir zunächst Dinge berühren, die mit den Geistern im Leben in Berührung gekommen sind. Dann, wenn wir sie sehen können, spielt sich vor unseren Augen eine Szene wieder und wieder ab, bis wir alle Hinweise entdeckt haben, die in der Szene versteckt sind. Doch Vorsicht! Nähern wir uns einem Geist auf der Suche nach einem Hinweis (diese geben ein leichtes Leuchten von sich und sind von einem kleinen Kreis markiert) zu lange, färbt sich unser Bildschirm langsam schwarz und die Geister werden uns angreifen und uns töten. Wenn wir sterben heißt es tatsächlich „Game Over“ und wir müssen das Spiel vom letzten Speicherstand neu laden. Ungewöhnlich für ein „Point&Click“ Adventure wie dieses, aber keineswegs schlecht, denn es bringt die ständige Gefahr, die in einem Grusel-Horror-Adventure greifbar sein könnte gut rüber, ohne zartbesaitete Spieler wie mich allzu sehr zu verschrecken. Eine gelungene Mischung.

© KING Art, THQ Nordic
Die Entwicklung der Story hat mir generell sehr gut gefallen, auch wenn ich definitiv erwartet hatte, mehr Horror-Elemente und Blut zu sehen. Die Charaktere durchleben fast alle eine glaubwürdige Entwicklung, das Aufdecken der dunklen Familiengeheimnisse und der Wahrheit ist spannend inszeniert und hält den Spieler bis zum Schluss bei der Stange. Dennoch hätte ich mir, gerade in Bezug auf den Höhepunkt und die letzte halbe Stunde, etwas mehr Action, etwas mehr „Wow“ gewünscht. Ab dem 2. Drittel des Spiels ist relativ klar, womit wir es zu tun haben und wie das Spiel vermutlich enden wird und so konnte mich die tatsächliche Pointe nicht so richtig ergreifen. Doch gemäß „Der Weg ist das Ziel“ war die ca. 5 Stunden lange Story alles in allem doch gelungen und hat mir Spaß gemacht. Ich war erleichtert, ohne Alpträume aus der Sache rauszukommen.
Ach du liebe Technik!
Die Indie-Entwickler von KING Art Games aus Bremen haben sich sichtlich Mühe gegeben, das Spiel grafisch an den aktuellen Standard anzupassen. Der Grad an Umgebungsdetails ist hoch, das Haus ist fantastisch in Szene gesetzt, das Spiel von Licht und Dunkelheit grandios, die scharfkantige Darstellung der Umgebung macht absolut Freude. Lediglich bei der Dynamik und Bewegung der Figuren hapert es noch: Die Gesichter wirken wie eingeschlafen oder aus zähem Lehm gezeichnet, die Bewegungen sind zwar fließend doch wirken sie, als hätten die Charaktere allesamt einen Stock verzehrt. David läuft in normaler Geschwindigkeit doppelt so schnell wie alle anderen und hängt mit Leichtigkeit sogar die Kamera ab. Manchmal bleibt er an Texturen hängen und lässt sich (wie oben beschrieben) gar nicht mehr bewegen, sodass neu geladen werden muss. Manchmal geht eine Cutscene in einen Screen über, der keinen Sinn für den Handlungsablauf macht (Bsp. In der Cutscene ist Leah da und liegt am Boden, in der Spieleansicht darauf ist sie gar nicht mehr im Raum). Die fieselige Mechanik, nach der man David erst umständlich ausrichten muss, um ein Objekt zu erreichen, das man anwählen möchte. Das alles fühlt sich an, als wäre es in den vergangenen Spielen von KING Art schon mal besser und fließender gelöst worden, sei aber aus Zeitnot halbfertig abgegeben worden. Ich bin mir sicher, hätte man noch ein paar Monate Zeit in den Feinschliff des Gameplays gesteckt, hätte man sich viel Kritik sparen können, die das Spiel bis jetzt bereits einstecken durfte. Dann hätte Black Mirror Spielen wie The Book of Unwritten Tales von der Qualität her definitiv in nichts nachgestanden.

Grandioses Charakterdesign des Gärtners Rory / © KING Art, THQ Nordic
Wertung
Ich erwartete ein blutiges Horror-Adventure und erhielt stattdessen ein solides, düsteres Grusel-Mystery-Adventure in kaum zu leugnender Cthulu-Tradition. Black Mirror war für mich, die ich die Vorgänger-Teile nicht kenne (jetzt aber definitiv mal auschecken werde), eine schöne Auszeit vom anstrengenden, rollenspiel- und prüfungslastigen Januar. Auch wenn die Steuerung mich zum Teil zur Weißglut brachte, machte ich mir das Leben mit der Umstellung auf Controller selbst leichter, und konnte mich voll auf die Geschichte konzentrieren, die mit ihren tollen Charakteren und spannenden Wendungen definitiv bei der Stange halten konnte. Das Ende mag mich vielleicht nicht so sehr vom Hocker gehauen haben und die Rätsel waren nicht das Schwerste vom Schweren, doch ich kann nicht sagen, dass mich das gestört hat. Ich gehöre zu der Fraktion Spielern, die zugunsten des Story-Flows gerne Mal in die Komplettlösung schielen. Für Adventurer, die Herausforderung suchen, ist dieses Spiel jedoch nicht unbedingt geeignet – die Trophäen von Black Mirror sind beispielsweise problemlos in einem Durchgang nebenbei zu erledigen und ich hatte sie alle (!) ohne darauf geachtet zu haben nach Abschluss des Spiels freigeschaltet. Ähnlich läuft es mit den Rätseln oder den sammelbaren Fototeilen, die oftmals nicht allzu schwer versteckt sind. Was den Soundtrack betrifft (für mich Soundtrack-Liebhaber ein wesentlicher Part in jedem Spiel), hat er mir die meiste Zeit sehr gut gefallen. Er war düster und spannend, ohne zu viel Angst zu machen, war an den richtigen Stellen auffallend und dramatisch und zum Höhepunkt hin gespickt mit Gänsehaut verursachenden Stimmen und Nebengeräuschen. Definitiv einen Blick wert, wenn man Cthulu mag. Für mich war Black Mirror nicht das beste Adventure Game, das ich je gespielt habe, aber auch nicht das schlechteste. Es ist ein schönes, solides Spiel mit Schwächen, das einen ganz gut unterhalten kann, wenn man sich nicht von der umständlichen Steuerung abschrecken lässt.
Wertung: 69%
METACRITIC: 64%
+ spannende Story bis zum Schluss
+ sichtbare Charakterentwicklung
+ düstere Stimmung
+ atmosphärischer Soundtrack
+ wunderschöne Grafikgestaltung
+ hoher Detailgrad
+ Licht (und Dunkelheit) perfekt gesetzt
+ angenehmer Story-Flow
– grausige Kamera-Steuerung
– Anwählen von Objekten unnötig kompliziert
– Rätsel z.T. zu leicht
– Ende irgendwann vorhersehbar
– Gesichter und Bewegungen wirken wie eingeschlafen
– Dr. Farber und ihre blöde Kerze
– Spiel friert häufiger ein (Hängen bleiben an Texturen)
– Nur 5 Stunden Spielzeit
Kategorien:Adventure, Games Review, Horror, Indie
1 reply »