RiME und ich, das war Liebe auf den ersten Blick. Die hübsche, bunte, frei begehbare Welt, der kleine Junge und sein Freund der Fuchs, die vielen großen und kleinen Rätsel. Das The Last Guardian Feeling war im ersten Trailer bereits fast greifbar. Geduldig habe ich also auf die Nintendo Switch Version gewartet, um dieses Juwel meiner Sammlung hinzuzufügen. Dem, was mir da begegnete, hielt die rosarote Brille nicht stand.
RiME
Genre: Puzzle, Adventure, Indie
Plattform: PlayStation 4, Xbox One, Nintendo Switch, PC
Erscheinungsdatum: 26. Mai 2017
Entwickler: Tequila Works
Publisher: Grey Box Games
Sprache: Deutsch [Schrift]
Preis: 29,99€ [PC, PS4, Xbox One], 34,99€ [Nintendo Switch]
Das große Unbekannte
RiME ist eines von wenigen Spielen, bei denen sich die Story nur schlecht nacherzählen und doch in nur ein paar wenigen Worten zusammenfassen lässt. Gemeinsam mit dem namenlosen Protagonisten, erwachen wir an am Strand eines uns unbekannten Kontinents (oder ist es doch eine Insel?). Genau wie der Junge scheinen wir im ersten Moment vollkommen verloren – das Spiel gibt uns keinerlei Hilfen zur Steuerung, keine Einführung in eine mögliche Story, keine Karte, an der wir uns orientieren könnten. Auch eine Sprachspur sucht man bei RiME vergeblich: Gesprochen wird hier nicht, alles was wir über den Jungen und seine Geschichte herausfinden, geschieht mit wenigen Bildern und Schlussfolgerungen, die wir als Spieler letztlich aus unserer eigenen Interpretation ziehen müssen. Diese Form der Unwissenheit kann reizvoll sein; für Spieler mit hohem Anspruch an eine wohlgeformte Story, könnte die Art, wie RiME seine Lore transportiert, jedoch zu wenig sein.

© Tequila Works, Gear Box Games
Andererseits regt die Umgebung und das fantastische Leveldesign zum Erkunden und Entdecken ein, wie man es beispielsweise aus Openworld-Games wie beispielsweise Minecraft oder The Witcher gewöhnt ist. Es gilt, Felsformationen zu erklimmen, Rätsel zu lösen und Sammelgegenstände zu finden, während man sich zunehmend sicherer durch die (vielleicht doch gar nicht so) unbekannten, weißen Ruinen bewegt. Wie gewohnt erhalten wir auch hier wieder keine Hilfestellung: Die Rätsel müssen wir ganz allein bewältigen, die Sammelgegenstände ohne Anhaltspunkt auf der zugegebenermaßen weitverzweigten und untertunnelten Map finden – ohne überhaupt zu wissen, wonach wir suchen, bzw. wozu die Gegentstände gut sind, die wir in versteckten Felsspalten und verborgenen Höhlen finden können. Die insgesamt 53 (!) Sammelgegenstände lassen sich zwar in einem einzigen Spieldurchgang zusammensuchen, fühlen sich dabei (bis auf die 5 unterschiedlichen Outfits für unseren Jungen) relativ pointless an.

© Tequila Works, Gear Box Games
Doch nicht so allein
Obwohl sich unsere Reise über den unbekannten, schönen Kontinent recht einsam anfühlt – so ganz ohne andere Menschen oder zumindest eine Erzählerstimme -, sind wir zumindest nicht ganz auf uns allein gestellt. Schon bald schaffen wir es, mithilfe eines uralten Mechanismus, den Geist einer kleinen Füchsin zu befreien, die uns im Laufe des Spiels immer wieder zur Seite stehen wird. So richtig involviert ist sie in das Spielgeschehen jedoch nicht: Sie hilft uns weder bei den Rätseln, noch ist sie in irgendeiner Weise steuerbar. Stattdessen weist sie uns flink und vom Wind getragen die Richtung, in die wir gehen müssen, um uns weiter auf den Pfaden der Hauptstory zu bewegen. Haben wir uns irgendwo im Gewirr der Map verloren, ist es relativ leicht, ihrem bellenden Kläffen zu folgen, und so wieder auf Kurs zu kommen. Außerdem erscheint sie oft auch in Verbindung mit einer seltsam menschlichen Gestalt im roten Umhang, die wie in ein Schatten immer wieder Auftaucht und wie ein dunkler Schatten der Vergangenheit unsere Schritte beobachtet. Was es mit ihr auf sich hat, gilt es jedoch im Verlauf des Spiels herauszufinden.

© Tequila Works, Gear Box Games
Ein Grund, warum ich mich gleich in RiME verliebt habe, ist die geistige Nähe zu einem meiner absoluten Lieblingsspiele der letzten Jahre: The Last Guardian. Der kleine namenlose Junge in einer unbekannten Ruine, voller Rätsel und Gefahren, die es nur mithilfe seines treuen Begleiters lösen kann, hat bei mir schon einmal großen Erfolg gehabt. Die Tatsache, dass der Fuchs lediglich ein charakterloser Wegweiser ist und mit dem Jungen recht wenig interagiert, hat mich zugegebenermaßen enttäuscht. Man hätte ihn auch ganz einfach durch ein goldenes Licht oder eine andere Gestalt austauschen können und hätte den selben Effekt gehabt – Trico dagegen ist ein einzigartiges Wesen in der Spielgeschichte und lässt sich nicht mal eben so einfach aus der Geschichte herausstreichen. RiME verlässt sich also hauptsächlich auf den Jungen und seine wunderschöne Stimme, um den Spieler durch die große Unbekannte, die schöne bunte Welt, zu tragen, erzielt dabei aber auch nur halb so viel emotionalen Impact.
Uralte Geheimnisse
Gemeinsam mit dem Jungen ergründen wir also die Ruinen einer offensichtlich längst vergangenen Zivilisation. Anhand der Kleidung, der Schriftzeichen und der Art, wie unser kleiner Held mit der Umgebung interagiert, erkennen wir mit der Zeit Parallelen zu ihm und seinem Äußeren. Offensichtlich spielt er eine größere Rolle in dieser Welt, eine, die wir zunächst nur erahnen können. Den größten Einfluss auf seine Umwelt nimmt der Junge mit seiner Stimme: Indem er summt, singt oder schreit löst er an bestimmten Orten im Spiel unterschiedliche Effekte aus: Die blauen, fischartigen Statuen, die überall herumstehen, lassen sich mit einem lauten Schrei des Jungen beispielsweise aktivieren. Daraufhin fliegen magische Kugeln aus den Statuen, die irgendwo in der Nähe einen Mechanismus auslösen bzw. eine Tür öffnen.

© Tequila Works, Gear Box Games
Egal, ob wir nun also Türen öffnen, magische Kugeln herumtragen, Schalter umlegen oder Steine umher schieben – die Rätsel sind alle etwa gleichermaßen einfach in ihrer Ausführung. Nur in wenigen Fällen habe ich etwas länger gebraucht, um zu verstehen, was das Spiel von mir wollte, was definitiv dafür spricht, dass das Spiel es schafft auch komplett ohne Stimm- oder Textausgabe den Spieler dazu zu bringen, zu tun, was getan werden soll. Da die Rätsel in Kombination mit der Erkundung so viel Raum einnehmen, lässt sich RiME also sehr gut mit anderen Puzzle-Games wie beispielsweise The Witness vergleichen. Da der Schwierigkeitsgrad der Puzzle absolut annehmbar ist und nur wenig Um-die-Ecke-Denken verlangt, ist RiME so gesehen das perfekte Spiel für eine ruhige Auszeit zwischendurch. Unterstützt wird dieses Gefühl definitiv von dem atemberaubenden Soundtrack, dem Sound-Design, aber auch dem harmonischen Grafik-Design des Spiels, die dafür Sorgen, dass man sich die meiste Zeit eigentlich pudelwohl fühlt. Nunja, fast…

© Tequila Works, Gear Box Games
Die Bedrohung von oben
Zugegebenermaßen überrascht war ich von dem seltsamen Stimmungsbruch, den das Spiel ungefähr ab der Hälfte erfährt. Nicht nur wird die von Blau und Rot dominierte, harmonische Farbgebung plötzlich durch matte, graue und düstere Farben abgelöst – auch die Musik und dadurch die allgemeine Stimmung des Spiels schlägt rapide um. Dies beginnt etwa dann, wenn wir den Urzeitvogel aus seinem immerwährenden Schlaf befreien und er uns dafür mit gewaltsamen Übergriffen von oben plagt. Plötzlich schweben wir in ständiger Gefahr: Wir eilen über die Map, verzweifelt auf der Suche nach einem Dach über dem Kopf, weil der über unserem Kopf kreisende Vogel nur darauf wartet, uns zu reißen.

© Tequila Works, Gear Box Games
Mir persönlich hat diese Wendung in der Geschichte nicht gut gefallen. Es passte für mich einfach nicht ins Bild – der bisherige Verlauf des Spiels war aufs friedliche Erkunden, Puzzlen und Entspannen ausgelegt, und nun setzt das Spiel plötzlich darauf an, den Spieler unter Stress, Zeitdruck und Angst zu setzen? Letztere wird übrigens nicht nur durch das beeindruckende Sounddesign verstärkt, sondern auch durch die plötzlich auftauchenden schwarzen Schatten und Gestalten, die – begleitet von vielen unangenehmen, gruseligen Stimmen – etwas an das Ohn-Gesicht aus Miyazakis Meisterwerk „Chihiros Reise ins Zauberland“ erinnern. Zwar laufen die Wesen vor einem weg, doch die Stimmung, die sie erzeugen, ist definitiv Angst erzeugend. Da ich grundsätzlich etwas zartbesaiteter bin, was Horror und Angst angeht, machte mir dieser Teil des Spiels definitiv zu schaffen. Ein anderer Spieler mag mit diesem Umschwung im Spielgeschehen aber vielleicht mehr anfangen können als ich.
Spielidee vs. Technik-Desaster
Wie viele andere Journalisten und Spieler, die mit dem Spielen von RiME auf den Release für die Nintendo Switch gewartet haben, bin auch ich vom Endergebnis des Ports absolut enttäuscht. Ein wesentliches Problem der Switch-Fassung sind die starken, immer wieder auftretenden FPS-Einbrüche, die besonders dann auftauchen, wenn man sich im Freien, außerhalb eines Höhlensystems bewegt. Die Kamera hakt, das Spiel ruckelt, die Bewegungen des Jungen stottern, während das Spiel verzweifelt versucht, den nächsten Kartenabschnitt vorauszuladen. Verantwortlich dafür ist das System des Spiels, das vollkommen ohne Ladebildschirme auskommen will und darauf baut, wesentliche Levelabschnitte im Hintergrund während des Spielens zu laden. Die Switch hat mit ihrem schwachen Tablet-Prozessor jedoch nicht genug Ressourcen, um dieses Konzept reibungslos zu portieren. In einem Interview auf Reddit gestehen die Entwickler, das sie zwar darüber nachgedacht haben, Ladebildschirme in die Switchversion einzubauen, haben dann jedoch davon abgesehen, weil es das Spielgefühl allzu sehr stören würde. Die paar Lags seien letztlich zu verkraften.

© Tequila Works, Gear Box Games
Meiner Meinung nach hat man sich hier definitiv überschätzt. Die Lags sind zum Teil sogar spielentscheidend, sorgen für eine unangenehme Steuerung und für gefährliche Situationen an gewissen Klippen – sie nehmen absolut den Spielspaß. Meiner Meinung nach hätte der Switch-Port in dem Moment fallen gelassen werden müssen, in dem klar wurde, dass die Konsole das Spiel nicht richtig wiedergeben kann. Das Problem erstreckt sich nämlich auch auf den Handheld-Modus der Hybrid-Konsole: Hier haben wir es zwar nicht mit Lags zu tun, denn die wurden mit der stark reduzierten Auflösung und Grafikleistung des Spiels hinfällig, aber das Endergebnis dieser Reduzierungen ist ehrlich gesagt nicht zum Anschauen. Das Bild ist verschwommen und pixelig, die Bewegungen sind ruckartig und hässlich – da lebe ich lieber mit den schrecklichen Lags, als mich mit einem milchigen Abbild auf kleinem Bildschirm herumzuschlagen, das mir zusätzlich auch noch Kopfschmerzen bereitet. Einfach nein. Die Switch-Portierung war von oben bis unten ein Fehler und setzt nicht nur den Ruf des Spiels, sondern auch den der Indie-Entwickler aufs Spiel. Mit Benutzerfreundlichkeit hat das nichts mehr zu tun.

© Tequila Works, Gear Box Games
Wertung
Ich verstehe, dass ein Switch-Port gerade für ein Indie-Studio wie Tequila Works schon allein aus Marketing- und Prestige-Gründen äußerst wichtig ist. Und ich verstehe auch, dass ein ordentlicher Port auf eine so spezifische Konsole wie die Switch äußerst Zeit- und Geld aufwendig ist. Aber die Switch-Version kam fast 7 Monate nach dem originalen Release des Spiels, man hätte also 7 ganze Monate Zeit gehabt, sich mit dem Problem zu befassen und es auszumerzen. Andere, wesentlich größere und aufwendigere Spiele wie beispielsweise The Legend of Zelda: Breath of the Wild schaffen es doch auch, im Handheld-Modus lagfrei und knackig-scharf zu laufen (genanntes Spiel sieht sogar im Handheld-Modus noch besser aus als auf dem TV-Screen). Gut, Nintendo besitzt wesentlich mehr Budget. Dennoch, dem Interview auf Reddit nach zu urteilen denkt man bei Tequila Works nicht einmal darüber nach, die Portierungsprobleme im Nachhinein mit Lösungen und Patches aus der Welt zu schaffen. Die Spieler und Käufer der Switch-Version (die übrigens teurer ist, als die Version für andere Plattformen) müssen einfach mit dem Leben, was sie da bekommen und das ist gerade mal mittelmäßig.

© Tequila Works, Gear Box Games
Nichtsdestotrotz ist RiME ganz abgesehen von seinen Portierungsproblemen ein ganz ordentliches Spiel. Die Welt ist wunderschön gestaltet, der Soundtrack ist bombastisch, die Rätsel sind abwechslungsreich und knifflig, ohne dabei zu schwer zu sein und damit den Spielfluss zu stören. Durch das Fehlen einer Sprachausgabe und auch sonstigen schriftlichen Hilfen fühlt man sich jedoch nicht nur relativ verloren in der Welt, sondern auch verdammt einsam. Das kann auch der charakterlose Fuchsbegleiter nicht wettmachen, der zwar hübsch anzuschauen, mit der Zeit aber durch das ständige Gekläffe auch ganz schön störend und nervig sein kann. Besonders frustrierend fand ich, dass ich keinen Zugang zur Story bzw. zur Lore fand. Für mich fühlten sich die Ruinen kalt und fremd an, ein Bezug war mir nicht richtig möglich. Der Erkundungsdrang, der durch die weitverzweigte Karte angeregt wird, ist aber auf jeden Fall da und auf jeden Fall ein spannender Zeitvertreib. Nur leider sind die 53 (!) Sammelgegenstände ohne sichtbaren Zweck nicht gerade die Belohnung, die man sich für penibles Erkunden aller Ecken und Enden des Spiels gewünscht hätte. Da es für die Nintendo Switch (noch) keine Trophäen gibt, habe ich es relativ schnell aufgegeben, mich allzu genau umzuschauen. Für mich war RiME eine große Enttäuschung, weil meine Erwartungen so hoch und meine Erfahrungen mit ähnlichen Spielen so extraordinär waren. Jedem, der vorhat das Spiel zu spielen, würde ich 100% davon abraten, die Switch-Version zu kaufen – auf anderen Plattformen wird man den Frust nicht haben, der sich bei mir über die anderen kleinen Enttäuschungen legt wie ein dunkler Schleier. Abgesehen davon mag RiME zwar nicht an andere Vertreter seiner Zunft wie The Last Guardian herankommen, ist für aber Indie- und Rätsel-Liebhaber trotzdem einen Blick wert.
Wertung: 55%
METACRITIC: 65%
+ schöne, bunte Welt
+ fantastischer Soundtrack
+ abwechslungsreiche, machbare Rätsel
+ große Karte regt zum ausgiebigen Erkunden an
– fehlende Hilfen (Sprache und Schrift)
– unnötig viele Sammelobjekte
– nerviger, wenig charakteristischer Fuchsbegleiter
– große Welt irgendwie einsam
– kaum präsente Story / Lore
– seltsamer Stimmungsbruch ab der Hälfte des Spiels
– untragbare Lags in der Switch-Version
– verschwommene, pixelige Widergabe der Switch-Version im Handheld Modus
Ich danke dem Team von GREY BOX GAMES für die Möglichkeit, RiME offiziell testen zu dürfen!
Kategorien:Adventure, Games Review, Indie