Gamerlife

5 Gründe, warum Videospiele Kunst sind

Wieso sind Videospiele immernoch ein so verpöntes Hobby? Wieso zählen Buch und Film eher als Kunst als so manches virtuelles Meisterwerk, mit dem wir Gamer uns erfreuen? Und wieso um alles in der Welt erkennt das niemand?! Ich liefere euch hier 5 gute Gründe, warum Videospiele Kunst sind – und warum sie auch als solche gelten sollten.

Wer kennt das nicht? „Videospiele? Kannst du deine Freizeit nicht sinnvoller nutzen?“, „Das ist doch Kinderkram! Werd endlich erwachsen!“, „Shooter machen bloß gewalttätig!“, „Lies doch mal ein Buch“. Ich wette, mindestens einen dieser Sätze musstest du dir aus deinem direkten Umfeld bereits anhören. Auch wenn ich persönlich ein gutes Buch auch immer nur empfehlen kann, gibt es manchmal trotzdem nichts Schöneres, als in eine virtuelle Welt abtauchen zu können. Das nächste Mal, wenn euch jemand dumm kommt, antwortet ihr einfach wie folgt:

 

Videospiele sind Kunst weil …

1. … verdammt viel Arbeit dahinter steckt

Habt ihr schon mal die End-Credits eines Spiels durchlaufen lassen? Nein? Ich glaube, ich weiß ganz genau warum: Selbst die originalen Pokémon-Teile hatten damals schon Credits, bei denen einem ein Bart wuchs, wenn man sie bis zum Ende durchhielt. An großen Games arbeiten Hunderte von Menschen, in der Regie, in der Grafik, im Sounddesign, im Storytelling, im Marketing, etc. etc. Viele Spiele benötigen Jahre, um überhaupt fertiggestellt zu werden. Die Verknüpfung von Story, Darstellung, Sound und Gameplay ist nicht nur unfassbar zeitaufwendig, sie ist auch verdammt teuer. Menschen stecken ihr Herzblut in ein Projekt, an dem sich andere Menschen 10, 20, 30 … zum Teil 100 Stunden (!) lang erfreuen können und dabei immer noch Neues entdecken! Und das gilt nicht nur für die großen Spiele, auch die kleinen Indie-Studios mit 5 Mitarbeitern, die Ein-Mann/Frau-Projekte, sie alle stecken Blut und Schweiß in ein Produkt, das andere letztlich als „Kinderkram“ oder „Zeitverschwendung“ abtun. Und dabei kann der Aufwand einer Spieleproduktion mindestens mit der eines Kinofilms mithalten.

 

2. … sie aktuelle und zukünftige Probleme unserer Gesellschaft aufzeigen

Natürlich gibt es auch Spiele, die gar nichts aufzeigen wollen, die eher ein guter Zeitvertreib sein wollen statt die Moralkeule zu schwingen. Aber viele Spiele, die ich kenne, treffen den Kern der Zeit einfach auf den Punkt. Life is Strange erzählt beispielsweise von den Problemen der Schüler, von Mobbing, Cyber-Mobbing und der Tatsache, das man sich nicht aussuchen kann, in welche Familie man geboren wird. Watch Dogs zeigt uns auf, wie weit unsere digitale Vernetzung führen kann und welche Gefahren damit verbunden sind. Horizon Zero Dawn erzählt von der Gier des Menschen nach Fortschritt und Macht, von der Apokalypse ausgelöst durch den Menschen. Last of Us erzählt von der Menschheit im Angesicht einer fortschreitenden Katastrophe, vom unerschütterlichen Überlebenswillen. Ich könnte die Liste endlos fortsetzen. All die Geschichten und Szenarios, die Games auf unseren Bildschirmen zum Leben erwecken, lehren uns. Durch die Interaktivität, die ein Film nicht hat, finden wir uns plötzlich in der Situation der spielbaren Charaktere wieder, sind gezwungen zu fühlen, zu denken und zu handeln wie sie, um das Spiel zu beschreiten. Ein Spiel wie Everybody’s Gone to the Rapture braucht dabei nicht mal ein richtiges Gameplay, um philosophische, kritische und problemlösende Gedanken in unseren Kopf zu projizieren.

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3. … sie uns emotional mitnehmen

Wieso sollten Buch-, Film- oder Serien-Tode emotionaler sein, als der Tod eines geliebten Charakters in einem Spiel, das man geradezu hautnah miterlebt? Anders als bei Film und Fernsehen verbringt man in der Regel eine Menge Zeit mit den Charakteren des Spiel, man interagiert mit ihnen, man entwickelt eine bestimmte emotionale Bindung zu ihnen, egal ob positiv oder negativ. In Dragon Age Inquisition einen großen Angriff zu überleben und mit erstmaligen Betreten unserer neuen Festung neue Hoffnung zu schöpfen (begleitet von einem grandiosen Soundtrack) … Mit Geralt in the Witcher 3 nach unzähligen Spielstunden Ciri das erste Mal wiederzusehen … In Final Fantasy VII machtlos zusehen zu müssen, wie Sephiroths Schwert auf Aerith zuschießt … In Monster Hunter dem Brüllen eines mächtigen Dämonjho ausgeliefert zu sein und zu wissen, dass man aufgeben kann… Das alles emotionale Höhepunkte, die einem Gänsehaut über den Rücken jagen können und die filmisch und szenisch so unglaublich gut gemacht sind, dass sie einen emotional vom Hocker hauen. Ich weiß noch, wie lange ich gebraucht habe, um das Ende des Point & Click Adventures Deponia 3 zu begreifen und zu verarbeiten. Was Filme können, können Spiele schon lange. Und ich bin der Meinung, dass sie dem Filmmedium dabei einen ganz großen Schritt voraus sind: Sie binden den Spieler direkt mit in die Geschichte ein. Wenn einen emotional etwas so erschüttern kann, wie kann es dann nicht Kunst sein?

 

4. … weil sie uns sowohl moralisch als auch kognitiv herausfordern

Telltale Games wie Game of Thrones oder The Wolf Among Us oder ähnliche Spiele wie Life is Strange haben aus der Moral ja bereits ein wesentliches Spielelement gemacht. Stehle ich das Geld, um meinen eigenen Hintern zu retten oder nicht? Rette ich Person A oder Person B, in dem Wissen, dass der jeweils andere vermutlich sterben wird? Viele Spiele, besonders Rollenspiele, wissen dieses Feature besonders taktisch einzusetzen. Wir sehen uns immer wieder – manchmal plötzlich, manchmal durchaus vorbereitet – in der Situation, schwerwiegende Entscheidungen zu treffen, diese abzuwiegen und mit uns selbst zu vereinbaren. Wir werden in ständigen Dialog mit unseren eigenen moralischen Grundsätzen gestellt und finden dabei Dinge heraus, denen wir unter Umständen so gar nicht bewusst waren. Sich eine moralische Meinung über die Vorgänge in einem Buch oder einem Film zu bilden ist einfach – aber eine moralische Entscheidung zu treffen und die Konsequenzen mit voller Wucht selbst zu spüren zu bekommen, ist etwas vollkommen anderes. Wir lernen daraus etwas über uns. Aber auch kognitiv fordern uns Spiele heraus: Egal ob Rollenspiel, Shooter, Strategie, Kartenspiel etc. wir werden immer vor Probleme, Herausforderungen und Gegner gestellt, die von uns eine kognitive Anpassung verlangen. Wer in World of Warcraft bereits einmal einen Raid mit 10, 20 oder sogar 40 Personen bestritten hat, der weiß, wie unfassbar viel kognitive Arbeit aber auch Teamwork darin steckt. Immer neue Bewegungsabläufe, Strategien und wechselnde Gegner-Mechaniken verhindern, dass einem beim Spielen das Hirn einschläft.

 

5. … sie musikalisch und szenisch grandios umgesetzt sind

Neben herausforderndem Gameplay und einer handfesten, packenden Story besitzt jedes gute Spiel noch zwei weitere wesentliche Eigenschaften, die das Erlebnis für einen Spieler maximieren können: Ein kunstvolles Artdesign und ein guter, situativ eingesetzter Soundtrack. Ich sage bewusst Artdesign und nicht Grafik, da es nicht immer darauf ankommt, die realistischste, aufwendigste Grafik an den Mann zu bringen, sondern mit den Mitteln, die man hat, ein ansprechendes, irgendwie ikonisches, individuelles Design von Welt und Figuren zu schaffen. Selbst ein 16-Bit-Spiel wie Rakuen schafft es mit Farbe und künstlerisch gesetzten Akzenten, liebevoll gestalteten Grafiken Emotionen im Spieler zu wecken, auch wenn es keine High-End-Grafik besitzt. Wesentlich dafür ist auch immer das Zusammenspiel mit der richtigen musikalischen Begleitung, die unfassbar viel bewirken kann. Bleiben wir beispielsweise bei Rakuen: Mit den richtigen, hellen Tönen zur richtigen Zeit konnten mir die 16-Bit-Geistererscheinungen eine solche Angst einjagen, dass ich mich zunächst nicht getraut habe, weiterzuspielen. Ein weiteres grandioses Beispiel ist das Leveldesign – sowohl in Anordnung als auch in Farbwahl – von Desitiny 2 in Zusammenspiel mit dem grandiosen Soundtrack, der so episch ist, als befänden wir uns in einer eleganteren Star Wars Verfilmung. Artdesign und Musik können alle möglichen Emotionen im Spieler auslösen, können ihn sozusagen nach der eigenen Pfeife tanzen lassen. Hinter jedem Spiel sitzt mindestens ein Grafik-Designer und mindestens ein Sound-Designer, die Arbeit und Lebenszeit in das Projekt stecken, um dem Spieler ein einzigartiges Erlebnis zu bieten. Auch sie sind Künstler – und erhalten als solche viel zu wenig Anerkennung.

 

Deswegen sind Spiele für mich Kunst. Sie sind mit viel Arbeit aber auch einer Menge Liebe entstanden. Sie zeigen Probleme unserer Gesellschaft auf. Sie nehmen uns emotional mehr mit als jeder Film. Fordern uns moralisch und kognitiv. Und sie sind in Artdesign und Musik mindestens genauso gut inszeniert heutzutage wie jeder Blockbuster.
Was sagt ihr dazu? Stimmt ihr mir zu? Fallen euch noch mehr Gründe ein, warum Games Kunst sind?

3 replies »

  1. Ich tue mir immer schwer damit, ein Medium übergreifend als Kunst zu deklarieren. „Videospiele können Kunst sein“ trifft es meiner Meinung nach besser. Denn auch wenn beispielsweise in einem „FIFA 1x“ die Creditroll vermutlich ähnlich lang ist wie die mancher Blockbuster-Filme, ist das beispielsweise eine Serie die in meinen Augen so gar keine Kunst ist oder überhaupt sein will. Manche Spiele sind einfach gut durchgestylte Produktionen, bei denen alles irgendwie passt, aber kein künstlerischer Aspekt im klassischen Sinne vorhanden ist.

    Mit den Videospielen ist es wie mit den Fotos: Es gibt Fotografen, die erschaffen mit Ihrer Kamera Kunstwerke, es gibt aber auch welche, die einfach Abbilder damit erzeugen. Unterhaltsam kann beides sein, Kunst nicht unbedingt.

    Wie behandelt man unter diesem Gesichtspunkt eigentlich Nachfolger? Wenn „Doom“ damals Kunst war, war das doch sehr ähnliche „Doom 2“ dann nur noch ein Plagiat vom selben Künstler? Oder reichen die neuen Level aus, um das Spiel zu einem eigenen Kunstwerk zu machen?

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    • Gebe dir an und für sich Recht… nicht alles was da auf den Markt ist, ist Kunst (ebenso, wie nicht jedes Buch/Bild/Film Kunst ist. Bei dem Punkt mit den Nachfolgern stellt sich für mich allerdings keine Frage. Küstler malen Bilderserien/Reihen, Autoren schreiben Buchreihen, warum also keine Spielereihen. Alles an und für sich ebenso ein einzelnes Werk 🙂

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